Die Kirche und unser Bistum stehen vor enormen Herausforderungen. Die finanziellen Herausforderungen überdecken kurzfristig die noch viel größeren personellen und daraus resultierenden inhaltlichen und organisatorischen - und somit langfristige(re)n - Herausforderungen. Deswegen muss die notwendige Spardebatte mit einem Prozess verbunden sein, der eine breite (Selbst-)Vergewisserung darüber beinhaltet, wie das Bistum der Zukunft aussehen soll und was wir auf dem Weg dorthin und schließlich auch in der Zukunft eigentlich brauchen.
Klar ist schon jetzt soviel: Es wird einen enormen Veränderungsprozess geben (müssen). So enorm, dass wir unser Bistum im Jahre 2040 nicht mehr wiedererkennen werden. Eine flächendeckende Versorgung der Gemeinden mit Geistlichen wird wohl nicht mehr zu realisieren sein. Soll vor Ort Seelsorge und Verkündigung stattfinden, wird das vermehrt auch von Laien geleistet werden müssen. Die Synodalität wird notwendigerweise zunehmen - auch wenn aktuell die Signale aus Rom im krassen Gegensatz zu dieser Erkenntnis stehen. Hier werden kreative Ideen und viel diplomatisches Geschick notwendig sein. Gleichzeitig muss Kirche verstehen, dass Missionierung nichts anderes als Vertrieb ist - und wieder so notwendig ist wie damals vor 2000 Jahren: Die Katholische Kirche muss raus aus der Selbstgefälligkeit und rein in ein Werben um Mitglieder. Die Bedeutung der Verkündung muss dabei im Vordergrund stehen. Der "anonyme Christ" im Sinne Karl Rahners - ein durch die Austrittswelle rasant schnell wachsender Personenkreis - wird somit zur Zielgruppe der neuen Missionierungsnotwendigkeiten. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk hat die Benedektinerin Schwester Philippa Rath genau darauf Bezug genommen und schildert die Bedürfnisse ausgetretener Katholiken dennoch christlich zu leben, beispielsweise in kleinen Hauskirchen, ähnlich der urkirchlichen Entwicklung. Wörtlich sagt sie: "Ich habe den Eindruck, dass da am Horizont schon die Kirche von morgen durchscheint, denn unsere bisher bekannte Form von Kirche ist ja dabei zusammenzubrechen."
Noch können wir diesen Prozess als Kirche gestalten. Das alles ist anstrengend. Es erfordert ein anderes Mind-Set und braucht Kreativität, die Fähigkeit und den Mut ungewöhnliche Dinge zu wagen, neue Wege zu beschreiten und "out of the box" zu denken. Für all das braucht Kirche ihre Bildungshäuser. Heute mehr denn je. Denn sie sind die Schnittstellen, an denen sich weltliche Gesellschaft, Wissenschaft und Kirche treffen. Sie sind der Ort, an dem Neues und Kreatives entsteht. Und sie sind die Brücken zu Denen, die gegangen sind, obwohl sie eigentlich bleiben wollten. Bildungshäuser gestalten den Wandel, erreichen Menschen, sind Kirchort und auch Seelsorge und Caritas.
Folgt man diesen Gedanken, wird schnell klar, wo auf keinen Fall, jedenfalls nicht überproportional, gespart werden darf: In den Bildungseinrichtungen und Akademien, die der Think Tank des Bistums in diesem Zukunftsprozess sein müssen. Denn verzichtet man auf diese Verbindung in die Zukunft(sfähigkeit), gilt in vielen Gemeinden schon lange vor 2040: "Der/ die Letzte macht das Licht aus." Dieser Prozess ist, konzentriert man sich auf die Pflege des Gemeindelebens in der Form, wie wir es heute kennen, so absehbar, wie er dann auch unvermeidlich ist. Es braucht Jemanden, der Ideen entwickelt, skizziert und erprobt, wie man Kirche der Zukunft in ihrer Verfasstheit aber gleichzeitig auch mit mehr Verantwortung der Gläubigen denken muss. Und eine so veränderte Kirche kann dann auch wieder an Zulauf gewinnen, populär werden und auf diese Weise, vielleicht sogar zeitgemäß(er), das Wort Gottes verkünden und die Menschen erreichen.
Über den Autor:
Marcel Speker ist Direktor des LWH. Mehr Informationen zu Herrn Speker finden Sie hier.