Das Auge lernt mit - Visualisierungen im Kontext von Lernen, Bildung und Schule

Wussten Sie, dass ein Mensch heute innerhalb eines Monats mehr visuelle Eindrücke zu verarbeiten hat, als vor 100 Jahren in seinem ganzen Leben? Wussten Sie, dass sich unsere Gehirnstruktur verändert hat und wir heute visuelle Reize besser als früher verarbeiten können? Der Mensch muss mehr visuelle Impulse verarbeiten und das Gehirn ist darauf programmiert. Was bedeutet dies für das Lernen, für Schule und für Bildung?

Nicht erst seit Corona sind Schule und Unterricht Felder mit großen Herausforderungen. Die Veränderungen der Gesellschaft, unsere aktuelle Lebensweise und auch unsere Erfahrungshorizonte werfen viele Fragen auf. In einem Punkt sind sich alle einig: Schule und Unterricht müssen sich im 21. Jahrhundert verändern. Neben der Bilderflut sind es Phänomene wie Digitalisierung und Globalisierung, die einen neuen Blick auf Wissen und Wissensvermittlung notwendig machen. Gleichzeitig fokussieren neue Forschungsergebnisse aus der Hirnforschung und der Psychologie die Bedeutung von Freude, Lust und Motivation für ein nachhaltiges und erfolgreiches Lernen. 

Visualisierung ist eine Möglichkeit, um auf diese veränderten Anforderungen der Gesellschaft sowohl auf der Ebene der Lernenden als auch auf jener der Lehrenden zu reagieren. Visualisieren hilft beim Verstehen! Und Verstehen ist weitaus mehr, als Lernen. Auch durch Sprache wird dies zum Ausdruck gebracht: Wir können Gelerntes durchaus verlernen, aber das, was wir einmal verstanden haben, können wir nicht ent-verstehen. Gleichzeitig ermöglicht die Visualisierung den Lehrenden, auch komplexe Sachverhalte übersichtlich und prägnant darzustellen und den Lernenden die notwendige Struktur zu geben, die es zum Lernen braucht. Denn Lernen ist die notwendige Voraussetzung zum Verstehen.

Diese Erkenntnis ist nicht neu. In pädagogischen Zusammenhängen hat man, spätestens seit Comenius im 17. Jahrhundert, den didaktischen Wert von Abbildungen erkannt. Heute ist kein Lehrbuch mehr denkbar, in dem nicht zahlreiche Bilder, Fotos, Skizzen, Diagramme oder ähnliche textergänzende Medien zu finden sind. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass das Visualisieren mit Stift und Papier aus dem Managementbereich kommt, bereits eine große Popularität im kreativen Bereich erfahren hat und erst jetzt für pädagogische Settings aufgegriffen wird. Aktuell werden die Begriffe Sketchnoting, Graphic Recording oder Visual Facilitation für Visualisierungsprozesse genutzt. Visualisierungen können sowohl den Lehr- als auch den Lernprozess unterstützen. Die Visualisierung wird zum visuellen Spickzettel, egal ob als Vorbereitung für die Klassenfahrt oder als Zusammenfassung für die Lernkontrolle. Bilder erzeugen eine größere Aufmerksamkeit und prägen sich aufgrund unser Hirnstruktur besser ein. Daher wird die Visualisierung zum Erinnerungsanker. Auch diese Erkenntnis ist durch Forschungsergebnisse in Form der Dual-Coding-Theorie belegt.

Visualisierungen sind bewusst vorläufig und skizzenhaft und somit nicht perfekt und fertig. Die Visualisierung ist demnach sehr fehlertolerant und auf den ersten Blick misslungene Zeichnungen können durch Worte erklärt werden. Beim Erlernen des Visualisierens ist kein zeichnerisches Talent notwendig, denn hilfreich ist dabei, dass es zwar eine Rechtschreibung, aber keine Rechtzeichnung gibt! Ziel der Visualisierung ist es, Wissen unter Verwendung von Zeichen, Symbolen und Worten möglichst eindeutig sichtbar zu machen, zu erklären und universell verständlich zu verdeutlichen. Hier wird klar, dass das Visualisieren auch den Forderungen der 21st-century-skills entspricht und ein ganzheitliches Denken erfordert und verschiedene Gehirnareale aktiviert. Visualisierungen sind demnach Türöffner, um kreatives Denken zu fördern und neue Zusammenhänge zu erschließen. Darüber hinaus haben Forschungen belegt, dass Zeichnen ein erkenntnisfördernder Prozess ist.

Visualisierungen bieten vielfältige Möglichkeiten, Lernsettings nachhaltig und lernwirksam zu gestalten. Dass Wissen durch Visualisierungen im Gehirn verankert wird, stellte bereits Albert Einstein fest: „Wenn ich nicht visualisieren kann, kann ich nicht verstehen!“ Was Einstein vor mehr als 60 Jahren äußerte, ist heute aktueller denn je. 

Wir bieten im LWH hierzu passende Fortbildungen an, so zum Beispiel den Kurs Visualisieren mit dem iPad vom 1.-2. März im LWH.

 

 

 

 

Über die Autorin:

Judith Hilmes verfügt über mehr als zehn Jahre Erfahrung im Schuldienst und aus dem Studienseminar. Im LWH ist sie als Bildungsmanagerin und Fortbildungsverantwortliche im Kompetenzzentrum für Lehrkräftefortbildung aktiv. Mehr Informationen zu Frau Hilmes finden Sie hier.