„Herzlich willkommen zur Ausstellung KI und Kunst – KI-generierte Kunstwerke und die Natur der Kreativität!“ Als ich am 3. Juli die 40 Gäste zur Ausstellungseröffnung begrüßen durfte, habe ich das Wort Kunstwerke absichtlich betont. Denn genau dazu rufen die Bilder, die von (oder mit?) KI-Bildgeneratoren erstellt worden sind, ja auf: dass wir Betrachter*innen uns fragen, ob das, was wir da sehen, Kunst ist oder nicht.
Schön aussehen tun sie ja, die 27 Bilder, die bis Ende September im Hauptgebäude des LWH hängen. Zum Beispiel das Bild einer goldgelb und mohnblumenrot leuchtenden Wiese mit wetterballon-artigen Blumen, die sich in den knallblauen Himmel erheben. Diese Bild hat der US-amerikanische Englisch- und Informatikprofessor Ted Underwood für diese Ausstellung freigegeben. Auch das Portrait einer jungen Frau in einem warm beleuchteten Café, die sehnsuchtsvoll durch das mit Lichtspiegelungen betupfte Fenster blickt, hat die Besucher*innen der Vernissage zu Gesprächen angeregt: Was, das ist gar kein Foto? Tatsächlich: Diese Frau hat niemals existiert. Dieses Bild habe ich erstellt, oder besser: Dieses Bild hat der Bildgenerator Midjourney auf Basis des von mir eingegebenen Textbefehls „Portait of a young woman in a warm lighted coffee shop, shot through a window, light grain, photorealistic“ erstellt. Midjourney hat noch drei weitere Bilder dazu erstellt, und einen ähnlichen Befehl habe ich der Bild-KI noch ein weiteres Mal erteilt, um dann aus insgesamt acht Vorschlägen das für mich schönste Bild auszuwählen.
Aber ist das ein Kriterium für Kunst? Ist die Bedienung des KI-Bildgenerators, die Formulierung des „Prompts“ (so wird der Eingabebefehl bei Text- und Bild-KIs genannt) und die Auswahl des Bildes schon „künstlerisches Schaffen“? Vom Gefühl her würde ich sagen: nein, denn ich verstehe nicht allzu viel von bildender Kunst. Aber Midjourney oder anderen Text-zu-Bild-Tools wie DALL-E oder Stable Diffusion Kreativität zuzugestehen, empfinde ich auch als falsch. Denn alles, was die hinter den Anwendungen stehenden Algorithmen machen, ist, aus den riesigen Mengen an Fotos, Skizzen und Gemälden, die sie samt Textbeschreibung aus dem Internet abgeschöpft haben (im verwendeten Datensatz LAION 5B befinden sich 5,85 Milliarden Text-Bild-Paare!) die Bildbestandteile herauszusuchen, die zu den von mir eingegebenen Worten am ehesten passen. Für meine Begriffe ist das, was dort geschieht, ein von Menschen angeleiteter Remix-Prozess. Auf der Suche nach der Urheberschaft wäre es wohl korrekt zu sagen, die Menschen hinter den im LWH ausgestellten Bildern hätten gemeinsam (oder vorsichtiger) mit dem KI-Tool ein Bild geschaffen, das schon existierende Bilder (und zwar nicht unbedingt für diese Nutzung freigegebene) mit einander und mit der Texteingabe verwurschtelt.
Ob das Ergebnis nun Kunst ist, hat auch das im Rahmen der Vernissage geführte Gespräch mit der Leiterin der Lingener Kunsthalle, Meike Behm, und dem Künstler Nils Pooker, nicht eindeutig klären können. Und darin sehe ich eine Chance. KI-Tools können Kunst demokratisieren! Nicht nur kann jeder Mensch mit Internetzugang seine Ideen für ein Bild mit Hilfe Künstlicher Intelligenz umsetzen und dadurch möglichweise sein Talent zur Farb- oder Bildgestaltung, für Fotografiestile oder Mixed-Media-Darstellung entdecken. Sondern die Deutung des Bildes obliegt einzig uns Betrachter*innen, weil keine eindeutig als „Künstler*in“ zu bezeichnende Person dahintersteht. Mit den Bildern „will“ uns niemand „etwas sagen“, wie es bei menschlichen Kunstwerken häufig der Fall ist. Ein Bild darf somit einfach nur „schön“ sein, es darf „Kunst“ sein oder „wegkönnen.“ Die Konzeption der Ausstellung war für mich nicht nur eine Premiere, sondern auch ein Abenteuer. So wie sie mich zur Auseinandersetzung mit meinem Kunstbegriff aufgerufen hat, so möge es auch den Menschen gehen, die in den kommenden Wochen im LWH sind und am Innenhof vorbei Richtung Cafeteria gehen. Ich lade alle LWH-Gäste herzlich dazu ein und stehe für ein persönlichen Austausch zum Thema KI und Kunst gern zur Verfügung!
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» zum Mitschnitt des Gesprächs mit Meike Behm und Nils Pooker
» zu den Öffnungszeiten der Rezeption (und damit der Ausstellung)
Transparenzhinweis: Dieser Text wurde vom KI-Tool Google Bard auf Rechtschreibfehler und Plausibilität geprüft. Es wurden keine Änderungen am Text vorgenommen.
Über den Autor:
Michael Brendel ist Theologe und Musikwissenschaftler. Im LWH ist er Studienleiter für Theologie und Digitalität. Mehr Informationen zu Herrn Brendel finden Sie hier.