Resing las zunächst aus seinem neuen Buch “Friedrich Merz. Sein Weg zur Macht” und stellte sich dann der Diskussion mit den Besuchern. Mit Blick auf das politische Comeback von Merz sprach der Journalist und ehemalige Stipendiat der Ludwig-Windthorst-Stiftung von einer “Lernkurve”, die Merz durchlaufen habe: “Als 2018 die ersten Meldungen kamen, Friedrich Merz komme zurück in die Politik, habe ich es erstens nicht geglaubt und zweitens habe ich nicht gedacht, dass es erfolgreich sein kann, weil er zu einer Projektionsfläche der Konservative geworden ist. Manche haben in ihm den Heilsbringer gesehen und im Ergebnis musste er sowohl seine Fans als auch seine Gegner enttäuschen, weil er durch die Mitte gehen musste. Das wurde für seine Anhänger beispielsweise deutlich, als er parteiintern die Frauenquote durchgesetzt hat. Er hat aber im Prinzip auch seine Gegner enttäuscht, weil er diese dunkle Gestalt des Finanzkapitalismus auch nicht so ganz gibt. Und diese Lernkurve ist beachtlich, aber sie zeigt natürlich auch, dass er an sich arbeiten muss.”
Resing, der direkt vom CDU-Parteitag nach Lingen gekommen war, wies darauf hin, dass sich die politischen Rahmenbedingungen in den vergangenen Jahren grundsätzlich verändert haben: “Auf dem Parteitag hat es eine große Geschlossenheit gegeben. Aber dass jetzt natürlich auch nochmal Bruchkanten sichtbar werden, die im sozial-katholischen Milieu liegen, liegt daran, dass sich die politische Landschaft in den letzten 20 Jahren verändert hat. Und dieses Milieu, auch der katholischen Akademien, wo ich hier auch groß geworden bin, wo sich viele CDU-Politiker zu Hause gefühlt haben, macht gewisse Entfremdungsprozesse durch. Werner Remmers, der diese Akademie gegründet hat, hat uns immer wieder gesagt, wir müssen eine christliche, eine wertebasierte Politik machen, eine soziale Politik, aber das, was wir in einer sozialen Gesellschaft wollen, das muss auch erarbeitet werden. Und ich habe manchmal so den Eindruck, dass das in diesem Milieu auch ein bisschen verloren gegangen ist. Ich kann mich an einen tollen Abend hier im Haus mit Helmut Kohl und Werner Remmers erinnern, bei dem für mich deutlich wurde, was eigentlich auch die CDU ausmacht. Nämlich dass man sich auch gegenseitig aushält. Und das ist für mich immer wieder faszinierend gewesen an der CDU: Dass für die CDU das C wichtig ist und das U, also dass man eine Bandbreite auch ertragen hat, und das ist in der jetzigen politischen Kultur auch nicht mehr so en vogue. Man möchte sich lieber in seiner Bubble seine Meinung bestätigen lassen. ”
LWH-Direktor Marcel Speker ging auf die Abstimmungsmehrheit gemeinsam mit der AfD im Bundestag beim Entschließungsantrag zur Migrationspolitik ein und nahm Bezug auf die Beobachtung, dass auch innerhalb der CDU die Reaktionen extrem seien: Es gebe entweder enthusiastische Zustimmung oder blanke Ablehnung - aber wenig dazwischen: “Das, was Merz im Bundestag gemacht hat, hat das Potenzial, die Partei tatsächlich zu spalten. Nur der Wahlerfolg wird das verhindern können. Ich weiß nicht, ob ihm bewusst ist, mit welch hohem Einsatz er hier spielt”, so Speker. Resing machte deutlich, dass Merz natürlich die Partei auch verändert hat: “Merz hat die CDU neu aufgestellt und ihm ist das gelungen, ohne dass in der CDU ein Aufstand ausgebrochen ist, weil er alle Seiten eingebunden hat. Und er ist dabei auch noch im Sichtbereich der alten CDU geblieben - er hat einfach die Bandbreite vergrößert. Die Veränderung erscheint viel größer, als sie in Wahrheit ist. Angela Merkel war beispielsweise in der Migrationspolitik sehr nah bei Friedrich Merz. Das war nur ihr Stil, der den Unterschied macht. Den Vorwurf, Angela Merkel habe die CDU nach links geführt, habe ich übrigens so nie geteilt. Sie hat nur die Bandbreite verengt. Jetzt ist es die Frage, ob die CDU das wieder aushält, dass es wieder eine größere Bandbreite gibt.”
Einen breiten Raum nahm auch die Blackrock-Vergangenheit von Merz ein und die Frage, wieviel “Heuschrecke” noch in ihm stecke. Resing ("Ich bin ja nicht der Verteidiger von Friedrich Merz.") antwortete auch darauf mit Verweis auf die Lernkurve: “In einem Interview habe ich ihn gefragt, wenn der Merz von heute mit dem Merz von 1994 diskutieren würde, worüber würden Sie sich zerstreiten? Und da hat er gesagt: Mit dem März von 1994 würde ich das schon über Familienpolitik sprechen. Ich glaube, wir müssen heute mehr für die finanzielle Unterstützung der Familien tun, als ich das 1994 dachte.” "