Ehre, wem Ehre gebührt

Seit der „Flüchtlingskrise“, die in Deutschland 2015 begann, muss man einen Bereich des Ehrenamts völlig neu denken und beleuchten: Die spontane Hilfsbereitschaft. Diese gab es zuvor natürlich auch, aber lange nicht in dieser Quantität. Viele Menschen haben zu diesem Zeitpunkt damit begonnen, sich ehrenamtlich zu engagieren. In einigen Bereichen beklagte man aber (natürlich hinter vorgehaltener Hand) den Exodus der Freiwilligen aus ihren bisherigen Aktivitäten in Richtung des Engagementbereichs Flucht und Migration. Für diese Entwicklung waren wohl zwei Tatsachen ursächlich: Zum einen ergaben sich nun Bedarfe und Bedürfnisse, auf die man relativ schnell und relativ sichtbar reagieren konnte. Genau das mögen manche – das ist die zweite Entwicklung – in ihrem ursprünglichen Engagementbereich vermisst haben. Interessant wäre es, zu erfahren, wie sich die Ehrenamtlichen-Ströme verhalten haben, nachdem die größten Herausforderungen in der Hilfe für die geflüchteten Menschen (Unterstützung beim Thema Wohnen, Arbeit, Bildung, täglicher Bedarf, behördliche Angelegenheiten – und das alles zugleich für viele Betroffene) bewältigt waren.

Eine zweite Krise wirkte in den vergangenen drei Jahren auf das Ehrenamt: Die Corona-Pandemie machte vieles schwierig oder unmöglich, vor allem brachte sie Einschränkungen in den sozialen Kontakten. Wir blicken jedoch auch auf eine Zeit, in der viele Menschen den Fokus (wenn auch notgedrungen) auf sich selbst richteten und sich die Frage stellten: Wofür möchte ich mich eigentlich engagieren? Wozu habe ich wirklich Lust? Und vor allem: Wo werde ich gebraucht?

An dieser Stelle würden nun einige Zeitgenossen das berühmte Böckenförde-Diktum auslegen und damit den ersten Schritt in Richtung Überhöhung des Ehrenamts machen. Ich möchte dagegen halten: Die drei genannten Fragen sind essentiell für ein gelingendes ehrenamtliches Engagement.  Denn leider beobachtet man viel zu häufig eine Überfrachtung ehrenamtlicher Tätigkeiten. So sind in vielen Kirchengemeinden Ehrenamtliche (als Gremienmitglieder) für Personalverwaltung (inklusive Ausschreibung, Einstellung, Personalentwicklung usw.) zuständig – eine aus meiner Sicht in der Breite unmögliche Konstellation. Krisen bieten immer auch Chancen – das ist keine Plattitüde, sondern zum Glück Realität. Was in der Wirtschaft gilt, gilt auch hier: Verknappung kann attraktiv sein. Plötzlich werden auch in Vereinen und Institutionen Strukturen hinterfragt, die lange Zeit unter der Überschrift „Das war doch immer so“ liefen. Eine gute Entwicklung, die hoffentlich auch zur Folge hat, dass das Ehren-Amt wieder mehr von seinem Wortsinn bekommt. Und genau das macht es so attraktiv!

Übrigens: Im Emsland gibt es zum Glück sehr viele Angebote für Ehrenamtliche, ohne die Engagierten subtil in Tätigkeiten zu drängen, die eigentlich nicht ehrenamtlich sind. Der Landkreis Emsland fördert echtes ehrenamtliches Engagement. Das ist wirklich wertvoll! Ich selbst habe viele Jahre lang sehr gut mit der Servicestelle Ehrenamt zusammengearbeitet und tue das noch heute. Über drei Jahre hinweg wurden im Rahmen des Projekts „HAsEA – Hauptamt stärkt Ehrenamt“ sogar Regionalstellen für die Engagementförderung eingerichtet (https://www.emsland.de/buerger-behoerde/aktuell/pressemitteilungen/ehrenamtsprojekte-erfolgreich-abgeschlossen.html). Auch wenn die Angebotsdurchführung in diesem Zeitraum sicher nicht einfach war, muss man diese gezielte Verstärkung gerade angesichts der Corona-Herausforderungen als Glücksgriff bezeichnen.

Vor einiger Zeit durfte ich in diesem Rahmen einen Rhetorik-Workshop in Emsbüren geben. Auch EmsTV war da und berichtet darüber hier: https://emstv.de/videobeitrag/ems-tv-news-i-04-05-2023/ (ab Minute 4:15).

Am 22. Mai um 19 Uhr halte ich im Freiwilligenzentrum Lingen einen Vortrag über das Thema „Anerkennungskultur im Ehrenamt“. Anmeldung: mechthild.kuemling@hasea-emsland.de

Bildnachweis: unsplash.com/ Neil Thomas

 

 

Über den Autor:

Markus Wellmann ist Theologe und Projektleiter BHPV im LWH. Mehr Informationen zu Herrn Wellmann finden Sie hier.