Medienbildung an Schulen nachhaltig verankern

Erste Erfahrungen aus dem LWH-Projekt „Medienbuddies“

Was macht es mit Kindern, wenn Sie schon mit 8 Jahren mit pornographischen Videos konfrontiert werden? Wie gehen Sie damit um, wenn Klassenkamerad*innen und andere Kinder sie über soziale Netzwerke mobben und ausschließen? Wie erkennen sie, dass der Kettenbrief, den sie gerade erhalten haben, nur ein übler Spaß ist und ihre Eltern nicht wirklich sterben, wenn sie ihn nicht weitersenden? Oder dass das süße 15-jährige Mädchen, mit dem sie gerade chatten, eigentlich Günther heißt und 55 ist? Oder einen Fake-Account, der ihre Daten klauen möchte…

Alles konstruierte, übertriebene Beispiele? Nein, sondern einige der Erlebnisse und Erfahrungen von Schüler*innen, die das LWH seit August 2023 zu Medienbuddies ausbildet. Das Projekt „Medienbuddies – Gemeinsam stark in Netz und Gesellschaft“ unterstützt Schülerinnen und Schüler aus zehn emsländischen Oberschulen im souveränen Umgang mit den Chancen und Risiken der Onlinewelt. Wir bilden Jugendliche aus den sechsten bis achten Klassen zu Digital-Experten aus, die dann ihr Wissen als Multiplikatoren an jüngere Mitschülerinnen und Mitschüler weitergeben.

Aber vor allen Dingen geben wir ihnen Raum, um über die eigenen Erfahrungen zu sprechen, sich auszutauschen und Fragen zu stellen. Raum, der gern und viel genutzt wird! Nachdem die Startworkshops für die ersten sechs Medienbuddy-Teams aus Meppen, Rhede, Lorup, Herzlake, Sögel und Lingen im LWH stattgefunden haben und wir für die ersten AG-Einheiten zu den Themen „Macht der Algorithmen“, „Gemeinsam gegen Cybermobbing“ und „Wenn der Chat zur Gefahr wird“ die Schulen besucht haben, möchten wir fünf unserer ersten Erfahrungen teilen:

1. Schüler*innen haben ein großes Bedürfnis über ihre Erfahrungen zu sprechen!

Einen großen Teil unserer Arbeit in den Startworkshops und in den AGs nimmt das Gespräch mit den Jugendlichen ein. Dabei ist es uns wichtig eine Ebene des gegenseitigen Vertrauens zu schaffen, damit die Schüler*innen sich auch öffnen. Was uns aufgefallen ist: Sie haben sehr schnell begonnen, sehr persönliche Erfahrungen zu schildern. Es war geradezu so, als hätten sie nur darauf gewartet, sich anderen mitzuteilen. Bisweilen mussten und müssen wir Einheiten spontan umplanen und Kursinhalte verschieben, da das Redebedürfnis so groß ist.

2. Die Schüler*innen haben schon in sehr jungen Jahren krasse Dinge erlebt!

Die Beispiele in der Einleitung haben schon gezeigt: Die Schüler*innen erleben schon in jungen Jahren krasse Dinge. Da ist von Nachrichten mit Dickpicks über gezieltes Cybermobbing bis hin zu Polizeieinsätzen wegen Kinderpornographie alles dabei! Erstaunlich finden wir dabei jeweils die Ehrlichkeit, wie sie unangenehme Situationen ansprechen. Nicht wie sie Opfer waren, sondern auch warum sie schon Täter*innen waren.

3. Wie Eltern den Medienzugang ihrer Kinder regulieren, spielt eine wichtige Rolle!

Eltern haben einen großen Einfluss auf die Mediennutzung der Kinder. Viele Apps machen es möglich, die digitalen Aktivitäten der Kinder zu begrenzen und zu kontrollieren. Das reicht von der Einstellung der (auch pro App) verfügbaren täglichen Bildschirmzeit bis hin zur Genehmigung von neuen Downloads, Homepage-Aufrufen oder Standort-Tracking. Diese Möglichkeiten werden von den Eltern sehr unterschiedlich genutzt. Am Beispiel der Bildschirmzeit: Während sie bei einigen Kids auf 1-2 Stunden begrenzt ist, haben andere gar keine Vorgaben. Was in einigen Fällen dazu führt, dass die Kinder bis 4.00 Uhr morgens an ihrem Handy sind – während der Schulzeit! Andere Schüler*innen wiederum schaffen es ganz gut, ihren Medienkonsum auch selbst und ohne Beschränkungen zu kontrollieren.

4. Die Digital-Kompetenz der Jugendlichen ist sehr unterschiedlich!

Die meisten Jugendlichen sind schon ziemlich fit darin, Gefahren im Netz zu erkennen und sogar gegen sie vorzugehen. Die Mehrzahl weiß, wie man ungewollte Kontakte in sozialen Netzwerken blockiert, meldet und löscht und können ihre Kommentarfunktionen steuern. Andere wiederum sind bereits auf Phishing-Nachrichten hereingefallen und nur vom Datenklau verschont geblieben, weil sie ihre Mailadresse nicht auswendig kannten. Hier ist es wichtig, dass die Schüler*innen voneinander lernen. Auffällig ist, dass viele Schüler*innen nicht über eine „professionelle“ Digitalkompetenz verfügen. Fotos mit dem Tablet machen und diese dann per Mail an die Seminarleitung zu schicken kann dann schon einmal eine Herausforderung sein. Ähnlich sieht es auch bei eigenständigem Recherchieren von Informationen ohne vorgegebene Websites aus.

5. Lernort und Lernatmosphäre machen einen großen Unterschied!

Unsere Startworkshops haben wir ganztägig mit den Schulteams im LWH durchgeführt. Die AG-Einheiten haben eine Länge von 3 Unterrichtsstunden à 45 Minuten und finden an den jeweiligen Schulen statt. Was auffällt: Die Räumlichkeiten haben einen großen Einfluss auf die Motivation und die Konzentration der Schüler*innen. Im LWH konnten sie losgelöst von ihrer Schule und dem gewohnten Schulumfeld Neues entdecken. In der Schule bemerken wir, dass es den Schüler*innen schwerer fällt, sich zu konzentrieren. Das liegt zum einen daran, dass die Einheiten zumeist in der 6-8 (oder gar 9.) Stunde stattfinden. Aber auch der Lernort mit Klausuren, gewohnten Klassenstrukturen und sozialen Hierarchien (zwischen den Schüler*innen) schafft hier eine andere Atmosphäre.

Das alles sind nur vorläufige Erfahrungen und Eindrücke, die sich im Laufe des Projekts nicht unbedingt weiter bestätigen müssen. Noch stehen für die ersten Teams 2-3 AG-Einheiten an der Schule (u.a. „Finger Weg von meinen Daten“ und „News und Desinformation“) sowie der große Abschlussworkshop am LWH an. Unsere Aktivitäten werden bald auch auf einen Instagram-Kanal zu verfolgen sein. Wir halten Sie weiter auf dem Laufenden.

Wenn Sie Fragen zum Projekt und/oder den Inhalten haben, melden Sie sich gern bei uns. Ansprechpartner sind Michael Brendel (brendel@lwh.de) und Nils Thieben (thieben@lwh.de).

 

 

 

 

 

Über den Autor:

Nils Thieben verfügt über mehrjährige Berufserfahrung als Journalist und Ausbilder von Nachwuchsjournalisten. Im LWH ist er als Studienleiter für den Bereich politische Jugendbildung aktiv. Mehr Informationen zu Herrn Thieben finden Sie hier.